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Clubhouse Hype, Chance für Startups und Die Kehrseite

Photo by Andrea Piacquadio on Pexels.com

Seit spätestens Montagabend ist auch der Trend „Clubhouse App“ in Augsburg angekommen. Die audiobasierte Social-Media-App verdrängte Telegram sogar von Platz zwei der am häufigsten heruntergeladenen Gratis-Anwendungen im App-Store. Was hat es mit der App auf sich? Wie schafft sie den extremen Hype, den es im April 2020 schon in den USA gab, auch in Deutschland zu erzeugen? Was sind die guten Seiten und was sind die wirklich, wirklich schlechten Seiten?

Interaktive Podcasts, digitale Paneldiskussionen, Nahbarkeit – Clubhouse trifft den Zeitgeist

Q&A mit Investor:innen vom HTGF; Politiker:innen, Promis wie Thomas Gottschalk, Andre Schürrle, Joko und Klaas, aber auch Gründer-Größen wie Frank Thelen und Gary Vaynerchuck – ganz easy per Klick erreichen. Das klingt grandios – und ist es auch. Die App basiert auf dem Gefühl, gemeinsam mit „den richtigen Leuten“ am Tisch zu sitzen und miteinander zu sprechen.

Mitglieder können sogenannte „Rooms“ zu jedem Thema eröffnen. Diese werden dann in einem Kalender angezeigt oder ich kann sie suchen. Mit einem Klick nehme ich teil. Der Moderator eines solchen Raums legt fest, wer reden und wer zuhören darf. Wenn ich doch außerplanmäßig etwas sagen will, klicke ich auf das Hand-Zeichen und komme dran. Das kennen wir schon von Zoom und Co. Außerdem kann ich interessanten Accounts folgen und finde gerade im B2B-Bereich schnell die richtigen Ansprechpartner für mein Fachgebiet.

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Clubhouse trifft in der Coronakrise den Zahn der Zeit. Die App startete bereits im April 2020 in den USA. Nach einem Investment des Wagnis-Kapitalgebers Andreessen Horowitz, wird das Startup auf 100 Millionen Dollar geschätzt. Die Gründer sind Paul Davison und Ex-Google-Mitarbeiter Rohan Seth. Anbieter der App ist Alpha Exploration aus Salt Lake City.

Marketing-Konzept: Künstliche Verknappung und FOMO

Zutritt nur mit Einladung und iOS-Gerät. Android-Nutzer müssen draußen bleiben. Klingt ein bisschen wie beim Türsteher vorm Club? Ist auch so. Marketer sprechen bei dem Konzept von “Fear of missing out” oder “FOMO”. Das ist die Angst, etwas zu verpassen. Diese künstliche Verknappung lockt einen inneren Trieb in uns. Wir wollen dazugehören. Den Trend live miterleben. Wer will nach der Mittagspause nicht sagen wollen: „Hey, hab gerade mit Frank Thelen über PropTech diskutiert.“

Der Anbieter der App argumentiert, dass es sich zunächst um eine „Private-Beta“-Version handele. Um eine Überlastung der Server zu vermeiden, haben sie diese Einschränkungen eingebaut. Jeder Nutzer kann zum Beispiel nur zwei weitere Einladungen verschicken, Influencer haben mehr Einladungen zur Verfügung. Diese künstliche Verknappung sorgt sogar dafür, dass Einladungen über ebay Kleinanzeigen sogar für 50 Euro angeboten werden.

Und das wichtigste an diesem Marketing-Konzept: Es bringt uns Menschen dazu, darüber zu reden. Mund-zu-Mund-Propaganda ist die Königsdisziplin einer effektiven Marketing-Strategie. Wir reden über die positiven Effekte, über die negativen Effekte und die wirklich große Kehrseite. Das führt zu einer Markenbekanntheit – von jetzt auf gleich.

Großer Hype um Clubhouse …

Politiker verlagern ihren Wahlkampf auf die lieb gewonnenen Bildschirme, des alltäglichen Begleiters. Dem Smartphone. Marketing-Unternehmen stellen sich als Experten in ihrem Fachgebiet dar. Investoren und Startups finden schnell zusammen – und ja sogar Nischen wie Business-Fußballer. Junge Journalisten treffen auf Erfahrene. Musiker sprechen darüber, wie es weitergehen soll.

Die Themen reichen von „einfach abhängen“, „Millenials“, „GEN X“ über „Philosophie“ und „Wissenschaft“ bis hin zu „Nigeria“, „Geopolitik“, „Fitness“, „Schwangerschaft“ und „Entrepreneurship“ – nur um einmal ein paar Beispiele zu nennnen. Clubhouse ist eine digitale Agora für alle Menschen, die etwas zu sagen haben.

… aber auch große Kritik

Für alle. Und darin liegt die größte Kritik. Denn überall, wo Menschen frei sprechen können, sprechen sie auch frei. Bei Clubhouse treffen sich auch Verschwörungstheoretiker, Antisemit:innen und Rechtsextreme. In einem „Room“ bei Clubhouse können die Moderator:innen, die den Raum gestartet haben, auch das Wort an die User abgeben und sie aufs Panel hochziehen. Sie können Gegenmeinungen aber auch das Wort entziehen und sofort vom Panel werfen.

Zweiteres ist aufgrund der Haftungsregeln programmiert worden. Denn die Haftung für das Gesagte liegt bei demjenigen, der den Raum eröffnet und die Redenden einlädt. Der Nebeneffekt: Andersdenkende werden sofort ausgeschlossen. Dies kommt insbesondere bei Rechtsextremen Rooms vor.

Jetzt stellt sich die Frage: Warum kann man solche Menschen nicht aus der App verbannen oder sie zumindest melden und verwarnen? Eine erste Einschätzung: Die Plattform ist auf Wachstum ausgerichtet. Nutzer:innen zu entfernen, würde bedeuten auch die App-Reichweite aktiv zu verringern. Zudem ist die App in der Beta-Phase, ist also nur mit einem MVP auf den Markt gegangen. Der administrative Akt auffällige Nutzer:innen zu entfernen, würde vermutlich finanziell nicht im Verhältnis stehen.

Eine weitere Kritik liegt bei den Datenschutzbestimmungen. Ähnlich wie bei WhatsApp, wird der User nach der Installation und Aktivierung aufgefordert den Zugriff auf sämtliche Kontakte freizugeben. Eigentlich müsste jede Person allerdings einzeln gefragt werden, ob er seine persönlichen Daten auf einem Server in den USA übertragen möchte oder nicht. Die App behält sich wohl auch vor Gespräche aufzuzeichnen und zu speichern.

Auch die Exklusivität wird kritisiert. Meinungsmacher und Multiplikatoren sind die Early Adopter. Das sieht wohl der Business-Plan so vor. iOS-Apps sind auch günstiger in der Entwicklung. Das macht von der Seite des Business-Plans aus Sinn. Doch verärgert es alle diejenigen, die gerne an den spannenden Talks teilnehmen wollen, sich aber nicht gleich ein iPhone kaufen möchten.

Clubhouse – Nutzen oder nicht nutzen?

Clubhouse ist ein starkes Instrument, um schnell eine große Zielgruppe zu erreichen – gerade in Zeiten von Corona. Für Marketer und Influencer aus dem B2B- und B2C-Bereich eine grandiose Möglichkeit, um schnell die richtigen Leute kennenzulernen. Auch für Startups, die auf Investorensuche sind, kann es Prozesse beschleunigen und vor allem wichtige Kontakte bereithalten. Für Politiker:innen fällt der Straßenwahlkampf aus – dabei steht das Wahljahr 2021 an. Auch sie nutzen bereits fleißig die neue Plattform.

Tiefsinnige Gespräche mit fremden Gleichgesinnten. Politische Debatten mit Doro Bär und Christian Lindner am Abend. Statt im Fernsehen zuzuhören, kann ich mich hier sogar aktiv dazuschalten. Diese Fülle gab es noch nie zuvor im digitalen Raum. Es ist wie ein Panel-Diskussionsfestival. Clubhouse macht süchtig.

Die große Frage aber bleibt: Will ich ein Unternehmen unterstützen, das Rassismus, Antisemitismus und Hasstiraden eine Bühne bietet? Das muss jeder für sich selbst ausmachen.

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Verfasst von Anahit Chachatryan

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